Was ist Osteopathie?

Osteopathie ist eine eigenständige Form der Medizin. Sie dient dem Erkennen und Behandeln von Funktionsstörungen.
Dazu nutzt sie eigene Techniken, die mit den Händen ausgeführt werden. Die Osteopathie nimmt jeden Patienten als Individuum wahr und behandelt ihn in seiner Gesamtheit.
Sie ist deshalb eine ganzheitliche Form der Medizin.

Vor über 140 Jahren entdeckte der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still die Prinzipien der Osteopathie und begründete damit eine neue Medizin. Seit jener Zeit hat sich die Osteopathie kontinuierlich weiterentwickelt, in den USA, ebenso wie in Europa und anderen Teilen der Welt. Der Osteopath behandelt ausschließlich mit den Händen.
Ziel der Behandlung ist es, mit ihnen als feinfühlige und jahrelang geschulte Instrumente Bewegungseinschränkungen zu erkennen und osteopathisch zu behandeln.


Wie wirkt Osteopathie?

Unser Organismus besteht aus unzähligen Strukturen, die alle direkt oder indirekt miteinander zusammenhängen.
Den Zusammenhang stellen die Faszien her, dünne Bindegewebshüllen, die jede Struktur umgeben und gemeinsam eine große Körperfaszie bilden.
In der Schulmedizin finden die meisten Faszien kaum Beachtung. Für die Osteopathie sind sie dagegen von großer Bedeutung. Denn folgt der Osteopath mit seinen Händen einer Faszie, so gelangt er von einer Körperstruktur zur nächsten. Faszien verbinden auch solche Strukturen, die funktionell nichts miteinander zu tun haben.
Faszien können zudem aus Sicht der Osteopathie Veränderungen übertragen, wie etwa Funktionsstörungen. Dies erklärt, warum Osteopathen oft beobachten, dass Ursachen an einer Stelle oft zu Beschwerden in ganz anderen Körperregionen führen. Funktionsstörungen können deshalb immer den gesamten Organismus betreffen. Darum behandelt die Osteopathie nie einzelne Beschwerden oder Krankheiten, sondern immer den Patienten in seiner Gesamtheit.


Welche Möglichkeiten bietet die Osteopathie?

Die Osteopathie beschäftigt sich nicht mit der Behandlung einzelner Symptome, sondern will immer die Ursachen von Beschwerden aufspüren und behandeln.
Ziel einer Osteopathiebehandlung ist es, die Funktionsstörungen und Blockaden, die eine Krankheit herbeiführen, begünstigen oder aufrechterhalten kann, zu lösen und so dem Körper zu helfen, Gesundheit wiederzuerlangen.


Anwendungsgebiete

Die Osteopathie kann in allen medizinischen Bereichen Anwendung finden, wo funktionelle Störungen die Ursache für die Beschwerden sind. Dabei kann die Osteopathie als erste Maßnahme aber auch begleitend zu anderen medizinischen Behandlungen eingesetzt werden.
Letzteres vor allem dann, wenn es sich um schwere Pathologien, also ernste Erkrankungen, handelt. In jedem Fall ist eine interdisziplinäre Behandlung des Patienten erstrebenswert, um die Gesundung des Patienten zu optimieren.


Wie ist der Ablauf einer Behandlung?

Nach ausführlicher Anamnese erfolgen Diagnose und Therapie mit den Händen. Der Osteopath kann bei der Untersuchung das menschliche Gewebe Schicht für Schicht ertasten. So spürt er Bewegungseinschränkungen und Spannungen auf, die er mit speziell für die Osteopathie entwickelten Techniken behandelt. Der Körper kann etwa zwei bis drei Wochen lang auf eine osteopathische Behandlung reagieren. Jede neue Therapiesitzung wird individuell auf die Symptome des Patienten abgestimmt. Der genaue Verlauf ist jedoch von dem Einzelfall abhängig.


Welche Ausbildung braucht ein Osteopath?

In Deutschland erfolgt die Ausbildung teilweise an Hochschulen auf akademischem Niveau, teilweise an privaten Schulen, dies sowohl grundständig als auch in Teilzeit berufsbegleitend. Sie richtet sich an Ärzte, Heilpraktiker und Physiotherapeuten. Da die Osteopathie in Deutschland als Heilkunde gilt, darf sie nach der aktuellen Rechtslage nur von Ärzten oder Heilpraktikern praktiziert werden. Andere Berufsgruppen müssen die Heilpraktikererlaubnis erwerben und sind auf die Tätigkeit im Rahmen Ihres Grundberufs beschränkt. Die grundständige Ausbildung richtet sich an Personen mit Hochschulreife, die während ihrer Ausbildung auf die Heilpraktikerprüfung vorbereitet werden.



"Der Osteopath kann das Gewebe Schicht für Schicht
ertasten und gezielt behandeln."

Andrew Taylor Dr. Andrew Taylor Still (1828-1917)


Der amerikanische Arzt Dr. Andrew Taylor Still (1828 – 1917) entwickelte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein neues Verständnis von Gesundheit und Krankheit und betrachtete dabei den Menschen als Einheit aus Körper, Geist und Seele.
Nach intensiven Anatomiestudien, war er der Überzeugung,
dass der Mensch als Teil der Schöpfung alle Möglichkeiten der Gesundung in sich selbst trägt. Voraussetzung dafür war für ihn eine gute Beweglichkeit und Dynamik in allen Körperbereichen. Eine hervorgehobene Rolle sah er dabei vor allem in der Ver-und Entsorgung des Gewebes durch Blut- und Lymphflüssigkeit bei intakter Nervenversorgung.
Ziel seiner Untersuchung und Behandlung war es daher nur mit den Händen Bewegungseinschränkung im Gewebe aufzuspüren, diese zu beseitigen und dann den Körper mit einer verbesserten inneren Beweglichkeit sich bei der eigenen Heilung selbst zu überlassen. Ein entsprechender Satz von Dr. Still sei dafür zitiert:

„Find it, fix it, leave it“.

Diese neue Herangehensweise in der Behandlung von Menschen, stellte er als neue Form der Medizin (die Osteopathie) im Jahr 1874 der Öffentlichkeit vor und gründete 1892 in Kirksville, Missouri, USA, die American School of Osteopathy (heute das Kirksville College of Osteopathic Medicine). Seine Osteopathie fand großen Zuspruch.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde sie in immer mehr Bundesstaaten rechtlich anerkannt. Neue Colleges entstanden und bildeten zunehmend mehr Studenten zu Osteopathen aus. Gleichzeitig gab es massive Bestrebungen der Ärzteverbände, die Osteopathie einzuschränken. Erst in den 1960er Jahren wurde dieser Streit beigelegt. Seitdem gilt die Osteopathie in den USA als allgemein anerkannt, das Studium der Osteopathie ist eine volle akademische Ausbildung. Derzeit gibt es in den USA mehr als 20 osteopathische Universitäten mit staatlich anerkanntem Abschluss.

Heute praktizieren etwa 54.000 Osteopathen in den USA ihren eigenständigen Beruf. Sie führen den Titel D.O., Doctor of Osteopathy, und sind Ärzten (Medical Doctors, MD) gleichgestellt. Daher verschreiben Osteopathen in den USA Medikamente, spritzen und operieren. In amerikanischen Krankenhäusern arbeiten Osteopathen und Ärzte miteinander.

In Europa nahm die Osteopathie eine andere Entwicklung. Ein Schüler Dr. Stills, der Engländer Dr. John Martin Littlejohn, brachte die Osteopathie auf den alten Kontinent. Hier entwickelte sich die Osteopathie als rein manuelle Form der Medizin weiter.
In London gründete Dr. Littlejohn 1917 die bis heute existierende British School of Osteopathy.

Derzeit kann man in England Osteopathie an drei Fachhochschulen studieren. Der Osteopath ist dort seit 1993 ein rechtlich anerkannter Gesundheitsberuf. In Belgien und Frankreich zählt die Osteopathie zu den allgemein anerkannten Formen der Medizin. Praktiziert wird die Osteopathie in nahezu allen europäischen Ländern. Hatte sich Dr. Still vor allem mit dem Bewegungsapparat, also mit Knochen, Gelenken, Muskeln und Sehnen beschäftigt, vor dem Hintergrund, dass nur eine freie Beweglichkeit dieser auch eine freie Versorgung der Geweben gewährleisten kann, entwickelten andere Osteopathen das Konzept der Osteopathie fort.

Ein Schüler von Dr. Still, Dr. William Garner Sutherland (1873 – 1954), beschäftigte sich jahrelang mit der Anatomie des Schädels, insbesondere mit den Schädelnähten und deren Ausformung. 1939 stellte er das Phänomen nach der primären Respirationsbewegung vor. Dabei handelt es sich um eine sehr feine, eigenständig pulsierende Bewegung.

Sie kann am Schädel, am Steißbein aber auch anderen Strukturen des Körpers erspürt werden und steht nicht im Zusammenhang mit Herzschlag oder Atmung. Die primäre Respirationsbewegung bildete fortan für Osteopathen ein wichtiges Instrument zur Diagnose und Therapie. Sutherland erweiterte damit die Osteopathie um die Osteopathie im kraniellen Bereich.


Text weitgehend: Verband der Osteopathen Deutschland e.V.

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